Bhagavad Gita Wie Sie Ist
Originale Version 1. Auflage 1974 Schloß Rettershof Uhrzeit:
Bhagavad-gītā Wie Sie ist

Zwölftes Kapitel
Hingebungsvolles Dienen

ZWÖLFTES KAPITEL

Krishna-Arjuna

Hingebungsvolles Dienen

VERS 1

अर्जुन उवाच ।
एवं सततयुक्ता ये भक्तास्त्वां पर्युपासते ।
ये चाप्यक्षरमव्यक्तं तेषां के योगवित्तमाः ॥१॥

arjuna uvāca
evaṁ satata-yuktā ye
bhaktās tvāṁ paryupāsate
ye cāpy akṣaram avyaktaṁ
teṣāṁ ke yoga-vittamāḥ

arjunaḥ uvāca – Arjuna sagte; evam – somit; satata – immer; yuktāḥ – beschäftigt; ye – diejenigen; bhaktāḥ – Gottgeweihte; tvām – zu Dir; paryupāsate – verehren in rechter Weise; ye – diejenigen; ca – auch; api – wieder; akṣaram – jenseits der Sinne; avyaktam – unmanifestiert; teṣām – von ihnen; ke – wer; yoga-vittamāḥ – der Vollkommenste.

ÜBERSETZUNG

Arjuna fragte: Wer wird als vollkommener angesehen – wer in rechter Weise in Deinem hingebungsvollen Dienst beschäftigt ist, oder wer das unpersönliche Brahman, das Unmanifestierte, verehrt?

ERKLÄRUNG

Kṛṣṇa hat nun das Persönliche, das Unpersönliche und die universale Form erklärt und alle Arten von Gottgeweihten und yogīs beschrieben. Grundsätzlich können die Transzendentalisten in zwei Gruppen eingeteilt werden: in Persönlichkeits- und in Unpersönlichkeitsanhänger. Wer sich dem persönlichen Aspekt des Höchsten weiht, beschäftigt sich mit seiner ganzen Kraft im Dienst des Höchsten Herrn. Der Unpersönlichkeitsanhänger hingegen dient Kṛṣṇa nicht direkt, sondern meditiert über das unpersönliche Brahman, das Unmanifestierte.

In diesem Kapitel erfahren wir, daß von den verschiedenen Vorgängen der Selbstverwirklichung bhakti-yoga (hingebungsvolles Dienen) der beste Weg ist, die Absolute Wahrheit zu verwirklichen. Wenn man ernsthaft danach verlangt, mit dem Höchsten Persönlichen Gott zusammenzusein, muß man sich dem Vorgang des hingebungsvollen Dienens zuwenden. Diejenigen, die den Höchsten Herrn direkt durch hingebungsvolles Dienen verehren, werden Persönlichkeitsanhänger genannt, und diejenigen, die über das unpersönliche Brahman meditieren, nennt man Unpersönlichkeitsanhänger. Arjuna fragt hier, wer von ihnen der bessere sei. Es gibt verschiedene Wege zur Verwirklichung der Absoluten Wahrheit, doch Kṛṣṇa weist in diesem Kapitel darauf hin, daß bhakti-yoga bzw. hingebungsvolles Dienen der höchste aller Pfade ist. Es ist das direkteste und einfachste Mittel, mit Gott zusammenzusein.

Im Zweiten Kapitel erklärt der Herr, daß das Lebewesen nicht der materielle Körper, sondern ein spiritueller Funke ist, ein Teil der Absoluten Wahrheit. Im Siebten Kapitel spricht Er von den Lebewesen als den Bestandteilen des Höchsten Ganzen und empfiehlt, die Aufmerksamkeit völlig auf das Ganze zu richten. Im Achten Kapitel wird gesagt, daß jeder, der im Augenblick des Todes an Kṛṣṇa denkt, sofort zum spirituellen Himmel, zu Kṛṣṇas Reich, erhoben wird. Am Ende des Sechsten Kapitels sagt der Herr, daß der yogī der vollkommenste aller yogīs sei, der an Kṛṣṇa in seinem Innern denke. Überall in der Gītā wird also die persönliche Hingabe zu Kṛṣṇa als die höchste Form der spirituellen Verwirklichung empfohlen. Aber dennoch gibt es Menschen, die sich zu Kṛṣṇas unpersönlicher brahmajyoti-Ausstrahlung hingezogen fühlen, dem alldurchdringenden Aspekt der Absoluten Wahrheit, die unmanifestiert ist und sich außerhalb der Reichweite der materiellen Sinne befindet.

Arjuna möchte nun wissen, welcher dieser Transzendentalisten über vollkommeneres Wissen verfügt. Mit anderen Worten, er erhellt seine eigene Position, da er sich zur persönlichen Gestalt Kṛṣṇas hingezogen fühlt und nicht zum unpersönlichen Brahman. Er möchte wissen, ob seine Position gesichert ist. Die unpersönliche Manifestation des Höchsten Herrn, sowohl in der materiellen als auch in der spirituellen Welt, ist der Gegenstand der Meditation. Im Grunde genommen kann man den unpersönlichen Aspekt der Absoluten Wahrheit nicht vollständig erfassen. Arjuna will daher sagen, daß eine solche Zeitverschwendung nutzlos ist. Er machte im Elften Kapitel die Erfahrung, daß es das beste ist, wenn man sich zur persönlichen Gestalt Kṛṣṇas hingezogen fühlt, denn auf diese Weise konnte er zur gleichen Zeit alle anderen Formen verstehen, ohne daß seine Liebe für Kṛṣṇa nachließ. Diese wichtige Frage, die Arjuna Kṛṣṇa stellt, wird den Unterschied zwischen der unpersönlichen und der persönlichen Auffassung der Absoluten Wahrheit deutlich machen.

VERS 2

श्रीभगवानुवाच ।
मय्यावेश्य मनो ये मां नित्ययुक्ता उपासते ।
श्रद्धया परयोपेतास्ते मे युक्ततमा मताः ॥२॥

śrī bhagavān uvāca
mayy āveśya mano ye māṁ
nitya-yuktā upāsate
śraddhayā parayopetās
te me yuktatamā matāḥ

śrī bhagavān uvāca – der Höchste Persönliche Gott sagte; mayi – Mir; āveśya – fixiert; manaḥ – Geist; ye – jemand, der; mām – Mir; nitya – immer; yuktāḥ – beschäftigt; upāsate – verehrt; śraddhayā – mit Glauben; parayā – transzendental; upetāḥ – beschäftigt; te – sie; me – Mein; yuktatamāḥ – am vollkommensten; matāḥ – Ich betrachte.

ÜBERSETZUNG

Der Höchste Herr sagte: Wessen Geist auf Meine persönliche Gestalt gerichtet ist, und wer Mich mit festem und transzendentalem Glauben ständig verehrt, wird von Mir als der Vollkommenste angesehen.

ERKLÄRUNG

Als Antwort auf Arjunas Frage, sagt Kṛṣṇa unmißverständlich, daß derjenige, der sich auf Seine persönliche Form konzentriere und Ihn mit Vertrauen und Hingabe verehre, der vollkommenste yogī sei. Wenn jemand in solchem Kṛṣṇa-Bewußtsein gründet, gibt es für ihn keine materiellen Aktivitäten mehr, denn all seine Handlungen werden für Kṛṣṇa ausgeführt. Ein reiner Gottgeweihter ist ständig beschäftigt – manchmal chantet er über Kṛṣṇa, manchmal hört er über Kṛṣṇa, zuweilen liest er Bücher über Kṛṣṇa, dann wieder kocht er prasādam für Kṛṣṇa oder geht zum Marktplatz, um etwas für Kṛṣṇa zu kaufen; ein anderes Mal reinigt er den Tempel oder wäscht das Geschirr – doch was immer er auch tut, er läßt keinen Augenblick vergehen, ohne seine Aktivitäten Kṛṣṇa zu weihen. Solches Handeln findet in völligem samādhi statt.

VERS 3–4

ये त्वक्षरमनिर्देश्यमव्यक्तं पर्युपासते ।
सर्वत्रगमचिन्त्यञ्च कूटस्थमचलं ध्रुवम् ॥३॥

संनियम्येन्द्रियग्रामं सर्वत्र समबुद्धयः ।
ते प्राप्नुवन्ति मामेव सर्वभूतहिते रताः ॥४॥

ye tv akṣaram anirdeśyam
avyaktaṁ paryupāsate
sarvatra-gam acintyaṁ ca
kūṭastham acalaṁ dhruvam

sanniyamyendriya-grāmaṁ
sarvatra sama-buddhayaḥ
te prāpnuvanti mām eva
sarva-bhūta-hite ratāḥ

ye – diejenigen; tu – aber; akṣaram – was sich jenseits der Sinneswahrnehmung befindet; anirdeśyam – unbegrenzt; avyaktam – unmanifestiert; paryupāsate – völlig beschäftigt; sarvatra-gam – alldurchdringend; acintyam – unvorstellbar; ca – auch; kūṭastham – im Zentrum; acalam – unbeweglich; dhruvam – fixiert; sanniyamya – kontrollierend; indriya-grāmam – alle Sinne; sarvatra – überall; sama-buddayaḥ – gleich eingestellt; te – sie; prāpnuvanti – erreichen; mām – Mich; eva – gewiß; sarva-bhūta-hite – für das Wohl aller Lebewesen; ratāḥ – beschäftigt.

ÜBERSETZUNG

Diejenigen aber, die das Unmanifestierte verehren, welches jenseits der Sinneswahrnehmung liegt, das Alldurchdringende, Unvorstellbare, Unwandelbare und Unbewegliche – die unpersönliche Auffassung der Absoluten Wahrheit –, indem sie die verschiedenen Sinne beherrschen und jedem gleichgesinnt sind, solche Menschen, zum Wohl aller beschäftigt, erreichen am Ende ebenfalls Mich.

ERKLÄRUNG

Diejenigen, die den Höchsten Gott, Kṛṣṇa, nicht direkt verehren, sondern versuchen, an das gleiche Ziel durch einen indirekten Vorgang zu gelangen, erreichen am Ende ebenfalls das höchste Ziel, Śrī Kṛṣṇa. Dazu heißt es: „Nach vielen, vielen Geburten sucht der Weise Zuflucht bei Mir, da er weiß, daß Vāsudeva alles ist.“ (Bg. 7.19) Wenn ein Mensch nach vielen Geburten vollkommenes Wissen erlangt, gibt er sich Kṛṣṇa, dem Herrn, hin. Wenn man sich Gott nach der in diesem Vers erwähnten Methode zuwendet, muß man die Sinne beherrschen, jedem dienen und sich zum Wohle aller Wesen beschäftigen. Es ist notwendig, sich Kṛṣṇa zuzuwenden, denn andernfalls ist es nicht möglich, vollkommene Erkenntnis zu erlangen. Oft muß man viele Bußen auf sich nehmen, bevor man sich dem Höchsten völlig hingeben kann.

Um die Überseele in der individuellen Seele wahrnehmen zu können, muß man die sinnlichen Aktivitäten des Sehens, Hörens, Schmeckens, Berührens usw. beenden. Auf diese Weise gelangt man zu dem Verständnis, daß die Höchste Seele überall gegenwärtig ist. Wenn jemand dies verwirklicht, beneidet er kein Lebewesen – er sieht keinen Unterschied mehr zwischen Mensch und Tier, denn er sieht nur die Seele, und nicht die äußere Bedeckung. Für den gewöhnlichen Menschen jedoch ist diese Methode der unpersönlichen Verwirklichung nur sehr schwer durchführbar.

VERS 5

क्लेशोऽधिकतरस्तेषामव्यक्तासक्तचेतसाम् ।
अव्यक्ता हि गतिर्दुःखं देहवद्भिरवाप्यते ॥५॥

kleśo’dhikataras teṣām
avyaktāsakta-cetasām
avyaktā hi gatir duḥkhaṁ
dehavadbhir avāpyate

kleśaḥ – Schwierigkeit; adhikataraḥ – noch schwieriger; teṣām – von ihnen; avyakta – unmanifestiert; āsakta – angehaftet sein; cetasām – von denen, deren Geist; avyaktā – unmanifestiert; hi – gewiß; gatiḥ duḥkham – Fortschritt ist mühsam; dehavadbhiḥ – von den Verkörperungen; avāpyate – erreichen.

ÜBERSETZUNG

Für diejenigen, deren Geist am unmanifestierten, unpersönlichen Aspekt des Höchsten haftet, ist es sehr schwierig fortzuschreiten. Auf diesem Pfad Fortschritt zu machen, fällt allen verkörperten Seelen schwer.

ERKLÄRUNG

Die Gruppe der Transzendentalisten, die dem Pfad des unbegreiflichen, unmanifestierten und unpersönlichen Aspektes des Höchsten Herrn folgt, wird jñāna-yogīs genannt, während Menschen, die völlig Kṛṣṇa-bewußt sind und sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigen, bhakti-yogīs genannt werden. Hier wird nun eindeutig der Unterschied zwischen jñāna-yoga und bhakti-yoga erklärt. Obwohl der Vorgang des jñana-yoga einen Menschen letztlich zum gleichen Ziel führt, ist er dennoch nur unter großen Schwierigkeiten durchführbar, wohingegen der Pfad des bhakti-yoga, bei dem man sich direkt im Dienst des Höchsten Persönlichen Gottes beschäftigt, für die verkörperte Seele einfacher und natürlicher ist. Die individuelle Seele in der materiellen Welt ist seit unvordenklichen Zeiten verkörpert. Es ist für sie deshalb sehr schwierig, auch nur theoretisch zu verstehen, daß sie nicht mit dem Körper identisch ist. Aus diesem Grunde akzeptiert der bhakti-yogī, daß die transzendentale Bildgestalt Kṛṣṇas der Verehrung würdig ist, denn auf diese Weise kann die körperliche Auffassung, die sich in seinem Geist festgesetzt hat, genutzt werden. Die Verehrung des Höchsten Persönlichen Gottes in Seiner Bildgestalt im Tempel hat jedoch nichts mit Götzenverehrung zu tun. In den vedischen Schriften findet man den Hinweis, daß die Verehrung entweder saguṇa oder nirguṇa sein kann – mit Eigenschaften oder ohne Eigenschaften. Die Verehrung der Bildgestalt des Herrn im Tempel ist saguṇa-Verehrung, denn der Herr wird in diesem Fall durch materielle Eigenschaften repräsentiert. Doch die Form des Herrn ist in Wirklichkeit nicht materiell, obwohl sie durch materielle Elemente – Stein, Holz oder Ölfarbe – repräsentiert wird. Das ist das absolute Wesen des Höchsten Herrn.

Hierfür wird ein grobes Beispiel gegeben. Auf der Straße sind Briefkästen aufgestellt, und wenn wir unsere Briefe in diese Kästen werfen, werden sie selbstverständlich und ohne Schwierigkeiten an ihren Bestimmungsort gelangen. Aber irgendein alter Kasten oder eine Imitation, die nicht vom Postamt aufgestellt worden ist, wird diese Aufgabe nicht erfüllen. In ähnlicher Weise ist die transzendentale Bildgestalt (die arca-vigraha) eine autorisierte Repräsentation Gottes. Diese arca-vigraha ist eine Inkarnation des Höchsten Herrn. Gott akzeptiert durch diese Form den Dienst der Gottgeweihten. Der Herr ist allgewaltig und allmächtig; deshalb kann Er, um es den bedingten Seelen einfacher zu machen, durch Seine Inkarnation als arca-vigraha den Dienst des Gottgeweihten entgegennehmen.

Für einen Gottgeweihten ist es also nicht schwierig, sich dem Herrn unmittelbar und direkt zu nähern; für diejenigen aber, die den unpersönlichen Weg zur spirituellen Verwirklichung beschreiten, ist dies ein sehr schwieriges Vorhaben. Sie müssen die unpersönliche Repräsentation der Absoluten Wahrheit durch solche vedische Schriften wie die Upaniṣaden verstehen; sie müssen die Sprache erlernen und die nicht wahrzunehmenden Gefühle verstehen und all diese verschiedenen Vorgänge auch verwirklichen. Für einen gewöhnlichen Menschen ist dies recht schwierig, doch ein Mensch im Kṛṣṇa-Bewußtsein, der im hingebungsvollen Dienen beschäftigt ist, erkennt den Höchsten Persönlichen Gott sehr einfach dadurch, daß er von einem echten geistigen Meister geführt wird, den Bildgestalten Kṛṣṇas regelmäßig seine Ehrerbietungen erweist, von den Herrlichkeiten des Herrn hört und die Reste der Speisen ißt, die dem Herrn geopfert wurden. Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Unpersönlichkeitsanhänger unnötigerweise einen mühseligen Pfad beschreiten und dazu noch das Risiko eingehen, die Absolute Wahrheit letzten Endes dennoch nicht zu verwirklichen. Der Persönlichkeitsanhänger hingegen nähert sich der Höchsten Persönlichkeit direkt und ohne Risiko, Schwierigkeiten oder Mühsal. Im Śrīmad-Bhāgavatam taucht ein ähnlicher Abschnitt auf, in dem es heißt: wenn man sich letzten Endes doch dem Höchsten Persönlichen Gott hingeben muß (dieser Vorgang wird bhakti genannt), aber statt dessen die Mühe auf sich nimmt zu verstehen, was Brahman und was nicht Brahman ist, und so sein ganzes Leben verbringt, ist die Folge lediglich Mühsal. Deshalb wird hier empfohlen, diesen beschwerlichen Pfad der Selbstverwirklichung nicht zu beschreiten, da das endgültige Ergebnis unsicher ist.

Ein Lebewesen ist ewiglich eine individuelle Seele, und wenn es in das spirituelle Ganze eingehen will, kann es vielleicht den Ewigkeits- und Wissens-Aspekt seines ursprünglichen Wesens verwirklichen, doch nicht den Aspekt seiner Glückseligkeit. Durch die Gnade eines Gottgeweihten kann solch ein Transzendentalist, der im jñāna-yoga sehr gelehrt ist, zur Stufe der bhakti, des hingebungsvollen Dienens, gelangen. Aber auch dann wird die lange Beschäftigung mit der Unpersönlichkeitslehre zur Ursache von Schwierigkeiten, da ein solcher Mensch die Vorstellung der Unpersönlichkeit nicht so leicht aufgeben kann. Deshalb hat die verkörperte Seele immer Schwierigkeiten mit dem Unmanifestierten – sowohl während der Praxis als auch zur Zeit der Verwirklichung.

Jedes Lebewesen besitzt eine winzige Unabhängigkeit, und man sollte ganz sicher wissen, daß die Erkenntnis des Unmanifestierten dem Wesen des eigenen spirituellen, glückseligen Selbst widerspricht. Man sollte sich deshalb diesem Vorgang nicht zuwenden. Der beste Weg für alle Lebewesen ist der Vorgang des Kṛṣṇa-Bewußtseins, der die völlige Beschäftigung des Lebewesens im hingebungsvollen Dienen erfordert. Versucht man diesen hingebungsvollen Dienst zu ignorieren, besteht die Gefahr, daß man sich dem Atheismus zuwendet. Deshalb sollte der Vorgang, der darin besteht, die Aufmerksamkeit auf das Unmanifestierte oder das Unvorstellbare zu konzentrieren, das sich außerhalb der Reichweite der Sinne befindet, niemals empfohlen werden; besonders nicht in diesem Zeitalter. Von Kṛṣṇa, dem Herrn, wird dieser Weg nicht empfohlen.

VERS 6–7

ये तु सर्वाणि कर्माणि मयि संन्यस्य मत्पराः ।
अनन्येनैव योगेन मां ध्यायन्त उपासते ॥६॥

तेषामहं समुद्धर्ता मृत्युसंसारसागरात् ।
भवामि न चिरात्पार्थ मय्यावेशितचेतसाम् ॥७॥

ye tu sarvāṇi karmāṇi
mayi sannyasya mat-parāḥ
ananyenaiva yogena
māṁ dhyāyanta upāsate

teṣām ahaṁ samuddhartā
mṛtyu-saṁsāra-sāgarāt
bhavāmi na cirāt pārtha
mayy āveśita-cetasām

ye – jemand; tu – aber; sarvāṇi – alle; karmāṇi – Aktivitäten; mayi – Mir; sann­yasya – weihend; mat-parāḥ – zur Mir hingezogen sein; ananyena – ohne Teilung; eva – gewiß; yogena – durch Ausübung solchen bhakti-yogas; mām – zu Mir; dhyāyantaḥ – meditierend; upāsate – verehren; teṣām – von ihnen; aham – Ich; samuddhartā – Befreier; mṛtyu – das; saṁsāra – materielle Existenz; sāgarāt – aus dem Ozean; bhavāmi – werde; na cirāt – keine lange Zeit; pārtha – O Sohn Pṛthās; mayi – zu Mir; āveśita – gefestigt; cetasām – von denen, deren Geist so beschaffen ist.

ÜBERSETZUNG

O Sohn Pṛthās, wer Mich verehrt, alle Aktivitäten Mir weiht und Mir völlig hingegeben ist, wer sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, ständig über Mich meditiert und seinen Geist auf Mich gerichtet hat ihn befreie Ich sehr schnell aus dem Ozean von Geburt und Tod.

ERKLÄRUNG

Es wird hier eindeutig gesagt, daß sich die Gottgeweihten in einer sehr glücklichen Lage befinden, da der Herr sie schon sehr bald aus dem materiellen Dasein befreien wird. Im reinen hingebungsvollen Dienen gelangt man zu der Erkenntnis, daß Gott groß und die individuelle Seele Ihm untergeordnet ist. Es ist daher ihre Pflicht, dem Herrn zu dienen; andernfalls wird sie māyā dienen müssen.

Wie bereits zuvor erklärt wurde, kann der Höchste Herr einzig und allein durch hingebungsvolles Dienen erkannt werden. Deshalb sollte man sich Ihm völlig hingeben und ständig an Ihn denken. Seine Arbeit sollte man nur für Kṛṣṇa verrichten. Es ist gleichgültig, mit welcher Arbeit man sich beschäftigt, wichtig ist nur, daß diese Arbeit ausschließlich für Kṛṣṇa getan wird. Dies ist das Kriterium für hingebungsvolles Dienen. Der Gottgeweihte strebt nach nichts anderem, als den Höchsten Persönlichen Gott zu erfreuen. Seine Lebensaufgabe besteht darin, Kṛṣṇa zu erfreuen, und er kann alles für die Zufriedenstellung Kṛṣṇas opfern – so wie es auch Arjuna in der Schlacht von Kurukṣetra tat. Der Vorgang ist sehr einfach: man kann sich in seiner jeweiligen Beschäftigung Kṛṣṇa hingeben und zur gleichen Zeit Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare chanten.

Dieses transzendentale Chanten zieht den Gottgeweihten zum Höchsten Persönlichen Gott hin. Der Höchste Herr verspricht in diesem Vers, daß Er einen reinen Gottgeweihten, der auf diese Weise handelt, unverzüglich aus dem Ozean der materiellen Existenz befreien wird. Diejenigen, die im yoga fortgeschritten sind, können die Seele durch den yoga-Vorgang zu jedem beliebigen Planeten erheben. Die yogīs machen in verschiedener Weise von dieser Möglichkeit Gebrauch, doch vom Gottgeweihten wird hier eindeutig gesagt, daß der Herr Sich persönlich seiner annimmt. Er braucht nicht darauf zu warten, sehr erfahren zu werden, um sich zum spirituellen Himmel zu erheben. Im Varāha Purāṇa wird gesagt:

nayāmi paramaṁ sthānam arcirādi-gatiṁ vinā
garuḍa-skandham āropya yatheccham anivāritaḥ

Dieser Vers will sagen, daß es für einen Gottgeweihten nicht notwendig ist, aṣṭāṅga-yoga zu praktizieren, um seine Seele zu den spirituellen Planeten zu erheben. Die Verantwortung für seinen Fortschritt trägt der Höchste Herr persönlich. Er sagt hier ganz unmißverständlich, daß Er Selbst zum Befreier Seines Geweihten werde.

Die Eltern versorgen ihr Kind mit allem Notwendigen, und deshalb ist seine Position gesichert. In ähnlicher Weise braucht sich auch ein Gottgeweihter nicht bemühen, durch yoga zu anderen Planeten zu gelangen; denn der Höchste Herr Selbst kommt aus Seiner Barmherzigkeit auf Seinem Vogel Garuda und befreit den Gottgeweihten unverzüglich aus dem Ozean des materiellen Daseins. Obwohl ein Mensch, der in den Ozean gefallen ist, sehr schwer kämpfen mag und vielleicht auch ein guter Schwimmer ist, wird er sich dennoch nicht retten können; doch wenn jemand kommt und ihn aus dem Wasser zieht, befindet er sich in Sicherheit. In ähnlicher Weise rettet der Herr den Gottgeweihten aus der materiellen Existenz. Man muß lediglich den einfachen Vorgang des Kṛṣṇa-Bewußtseins praktizieren und sich völlig im hingebungsvollen Dienen beschäftigen. Jeder intelligente Mensch sollte daher den Vorgang des hingebungsvollen Dienens allen andern Pfaden vorziehen. In der Nārāyaṇīya wird dies wie folgt bestätigt:

yā vai sādhana-sampatti-puruṣārtha-catuṣṭaye
tayā vinā tad-āpnoti naro nārāyaṇāśrayaḥ

Dieser Vers will sagen, daß man sich nicht in den verschiedenen Vorgängen fruchtbringender Aktivitäten oder mit der Entwicklung von Wissen durch gedankliche Spekulationen beschäftigen sollte. Wer der Höchsten Persönlichkeit hingegeben ist, kann alles erreichen, was durch andere yoga-Vorgänge, durch Spekulation, Rituale, Opfer, Wohltätigkeiten usw. erlangt wird. Das ist die ganz besondere Eigenschaft des hingebungsvollen Dienens.

Einfach durch das Chanten der heiligen Namen Kṛṣṇas, Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare, kann sich ein Geweihter des Herrn leicht und freudig dem höchsten Ziel nähern, und durch keinen anderen Vorgang. Die Schlußfolgerung der Bhagavad-gītā ist im sechsundsechzigsten Vers des Achtzehnten Kapitels zu finden:

sarva-dharmān parityajya
mām ekaṁ śaraṇaṁ vraja
ahaṁ tvāṁ sarva-pāpebhyo
mokṣayiṣyāmi mā śucaḥ

„Gib alle Arten von Religion auf und gib dich einfach Mir hin. Ich werde dich von allen sündhaften Reaktionen befreien.“

Man sollte alle anderen Vorgänge aufgeben und im Kṛṣṇa-Bewußtsein mit Hingabe dienen. Auf diese Weise kann man die höchste Vollkommenheit des Lebens erreichen. Es ist nicht notwendig, sich über die sündigen Aktivitäten des vergangenen Lebens Gedanken zu machen, denn der Herr nimmt Sich des Gottgeweihten völlig an. Daher sollte man nicht sinnlos versuchen, sich durch spirituelle Erkenntnis aus eigener Kraft zu befreien. Jeder sollte beim Höchsten Allmächtigen Gott, Kṛṣṇa, Zuflucht suchen. Das ist die höchste Vollkommenheit des Lebens.

VERS 8

मय्येव मन आधत्स्व मयि बुद्धिं निवेशय ।
निवसिष्यसि मय्येव अत ऊर्द्ध्वं न संशयः ॥८॥

mayy eva mana ādhatsva
mayi buddhiṁ niveśaya
nivasiṣyasi mayy eva
ata ūrdhvaṁ na saṁśayaḥ

mayi – auf Mich; eva – gewiß; manaḥ – Geist; ādhatsva – richte; mayi – auf Mich; buddhim – Intelligenz; niveśaya – wende an; nivasiṣyasi – du führst; mayi – zu Mir; eva – gewiß; ataḥ – deshalb; ūrdhvam – auf; na – niemals; saṁśayaḥ – Zweifel.

ÜBERSETZUNG

Versenke dich immer in Gedanken an Mich, den Höchsten Persönlichen Gott, und beschäftige all deine Intelligenz in Mir. So wirst du immer, frei von Zweifeln, in Mir leben.

ERKLÄRUNG

Wer im hingebungsvollen Dienen beschäftigt ist, lebt in einer direkten Beziehung zum Höchsten Herrn, und daher besteht kein Zweifel, daß seine Position von Anfang an transzendental ist. Ein Gottgeweihter lebt nicht auf der materiellen Ebene – er lebt in Kṛṣṇa. Der heilige Name des Herrn und der Herr sind nicht voneinander verschieden; wenn daher ein Gottgeweihter Hare Kṛṣṇa chantet, tanzen Kṛṣṇa und Seine innere Energie auf seiner Zunge. Wenn er Kṛṣṇa Nahrung opfert, akzeptiert Kṛṣṇa diese Speisen direkt, und wenn der Gottgeweihte die Reste der Opferung zu sich nimmt, wird er Kṛṣṇa-isiert. Wer sich nicht in diesem Dienst beschäftigt, kann nicht verstehen, wie dies möglich ist, obgleich dieser Vorgang in der Gītā und in andern vedischen Schriften empfohlen wird.

VERS 9

अथ चित्तं समाधातुं न शक्नोषि मयि स्थिरम् ।
अभ्यासयोगेन ततो मामिच्छाप्तुं धनञ्जय ॥९॥

atha cittaṁ samādhātuṁ
na śaknoṣi mayi sthiram
abhyāsa-yogena tato
mām icchāptuṁ dhanañjaya

atha – wenn, deshalb; cittam – Geist; samādhātam – richten; na – nicht; śaknoṣi – fähig; mayi – auf Mich; sthiram – gerichtet; abhyāsa – Praxis; yogena – durch hingebungsvolles Dienen; tataḥ – deshalb; mām – Mich; icchā – Verlangen; āptum – zu bekommen; dhanañjaya – O Arjuna.

ÜBERSETZUNG

Mein lieber Arjuna, o Gewinner von Reichtum, wenn du deine Gedanken nicht ohne abzuweichen auf Mich richten kannst, dann folge den regulierenden Prinzipien des bhakti-yoga. So wirst du das Verlangen entwickeln, zu Mir zu gelangen.

ERKLÄRUNG

In diesem und dem vorhergehenden Vers wird auf zwei verschiedene Vorgänge des bhakti-yoga hingewiesen. Der vorherige Vers bezieht sich auf einen Menschen, der durch transzendentale Liebe wahre Zuneigung zu Kṛṣṇa, dem Höchsten Persönlichen Gott, entwickelt hat, wohingegen dieser Vers für den bestimmt ist, der keine Anhaftung an die Höchste Person durch transzendentale Liebe entwickelt hat. Für die zweite Gruppe gibt es verschiedene Regeln und Regulierungen, die man befolgen muß, um letzten Endes auf die Stufe der Liebe zu Kṛṣṇa erhoben zu werden.

Bhakti-yoga bedeutet Reinigung der Sinne. Im gegenwärtigen Zustand des materiellen Daseins sind die Sinne unrein, weil sie mit Sinnesbefriedigung beschäftigt sind. Durch bhakti-yoga jedoch können diese Sinne gereinigt werden, und im gereinigten Zustand kommen sie direkt mit dem Höchsten Herrn in Verbindung. Wenn man im materiellen Dasein im Dienst eines Meisters steht, dient man nicht aus Liebe, sondern nur des Geldes wegen. Und auch der Meister liebt einen nicht, sondern nimmt nur den Dienst entgegen und bezahlt dafür. Von Liebe kann also keine Rede sein. Um jedoch ein spirituelles Leben zu führen, muß man auf die Stufe reiner Liebe erhoben werden. Diese Stufe der Liebe kann durch die Praxis des hingebungsvollen Dienens erreicht werden, das sogar schon mit den gegenwärtigen Sinnen ausgeführt werden kann.

Diese Liebe zu Gott, die im Herzen eines jeden vorhanden ist, befindet sich gegenwärtig in einem schlafenden Zustand. Sie ist in unterschiedlicher Weise manifestiert, doch durch die Verbindung mit der Materie ist sie im Augenblick verschmutzt. Diese Verbindung mit der Materie muß gelöst und die schlafende, natürliche Liebe zu Kṛṣṇa erweckt werden. Das ist der ganze Vorgang. Um die regulierenden Prinzipien des bhakti-yoga zu praktizieren, sollte man unter der Führung eines geistigen Meisters bestimmten Prinzipien folgen, wie früh morgens aufstehen, ein Bad nehmen, den Tempel betreten, Gebete darbringen und Hare Kṛṣṇa chanten; auch sollte man Blumen pflücken und sie der transzendentalen Bildgestalt Kṛṣṇas darbringen, Speisen kochen, um sie der Bildgestalt zu opfern, prasādam zu sich nehmen usw. Es gibt viele verschiedene Regeln und Regulierungen, die man beachten sollte. Außerdem sollte man von reinen Gottgeweihten fortwährend aus der Bhagavad-gītā und dem Śrīmad-Bhāgavatam hören, denn auf diese Weise kann jeder auf die Ebene der Liebe zu Gott gelangen, und dann ist es sicher, daß man Fortschritt macht und letzten Endes das spirituelle Königreich Gottes erreicht. Wenn man bhakti-yoga nach diesen Regeln und Regulierungen und unter der Führung eines geistigen Meisters praktiziert, wird man mit Sicherheit auf die Stufe der Liebe zu Gott erhoben.

VERS 10

अभ्यासेऽप्यसमर्थोऽसि मत्कर्मपरमो भव ।
मदर्थमपि कर्माणि कुर्वन्सिद्धिमवाप्स्यसि ॥१०॥

abhyāse’py asamartho’si
mat-karma-paramo bhava
mad-artham api karmāṇi
kurvan siddhim avāpsyasi

abhyāse – in der Praxis von; api – sogar; asamarthaḥ – unfähig; asi – du bist; mat-karma – Meine Arbeit; paramaḥ – höchste; bhava – du wirst; mat-artham – um Meinetwillen; api – selbst; karmāṇi – was; kurvan – ausführen; siddhim – Vollkommenheit; avāpsyasi – erreichen.

ÜBERSETZUNG

Wenn du die Regulierungen des bhakti-yoga nicht befolgen kannst, dann versuche einfach, für Mich zu arbeiten; denn wenn du für Mich arbeitest, wirst du auf die Stufe der Vollkommenheit gelangen.

ERKLÄRUNG

Wer nicht imstande ist, den regulierenden Prinzipien des bhakti-yoga unter der Führung eines geistigen Meisters zu folgen, kann dennoch auf die Stufe der Vollkommenheit erhoben werden, wenn er für den Höchsten Herrn arbeitet. Wie dies zu verstehen ist, wurde bereits im fünfundzwanzigsten Vers des Elften Kapitels erklärt: Man sollte die Verbreitung des Kṛṣṇa-Bewußtseins unterstützen. Es gibt viele Gottgeweihte, die mit der Verbreitung des Kṛṣṇa-Bewußtseins beschäftigt sind und Hilfe benötigen. Wenn man also die regulierenden Prinzipien des bhakti-yoga nicht direkt praktizieren kann, so sollte man zumindest versuchen, die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein zu unterstützen. Jede Bemühung erfordert Land, Kapital, Organisation und Arbeit. Genau wie man im Geschäftsleben eine Unterkunft, ein wenig Kapital, Arbeit und eine Organisation benötigt, um sein Geschäft zu erweitern, so sind auch im Dienste Kṛṣṇas solche Dinge erforderlich. Der einzige Unterschied besteht darin, daß man im materiellen Leben für die Befriedigung seiner Sinne arbeitet. Die gleiche Arbeit kann jedoch für die Zufriedenstellung Kṛṣṇas verrichtet werden, und so zu einer spirituellen Aktivität werden. Wenn jemand genügend Geld besitzt, kann er helfen, ein Büro oder einen Tempel zur Verbreitung des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu bauen, oder er kann diese Bewegung mit Veröffentlichungen unterstützen. Es gibt viele Tätigkeitsbereiche, und man sollte sich informieren, in welcher Weise man sich beschäftigen kann. Wenn man nicht das gesamte Ergebnis solcher Aktivitäten opfern kann, sollte man zumindest einen gewissen Prozentsatz opfern, um bei der Verbreitung des Kṛṣṇa-Bewußtseins mitzuhelfen. Dieser freiwillige Dienst für die Sache des Kṛṣṇa-Bewußtseins wird dem Menschen helfen, auf eine höhere Stufe der Liebe zu Gott zu gelangen, wodurch er letztlich die Vollkommenheit erreichen wird.

VERS 11

अथैतदप्यशक्तोऽसि कर्त्तुं मद्योगमाश्रितः ।
सर्वकर्मफलत्यागं ततः कुरु यतात्मवान् ॥११॥

athaitad apy aśakto’si
kartuṁ mad-yogam āśritaḥ
sarva-karma-phala-tyāgaṁ
tataḥ kuru yatātmavān

atha – selbst obwohl; etat – dies; api – auch; aśaktaḥ – unfähig; asi – du bist; kartum – auszuführen; mat – zu Mir; yogam – hingebungsvolles Dienen; āśritaḥ – Zuflucht; sarva-karma – alle Aktivitäten; phala – Ergebnis; tyāgam – für Entsagung; tataḥ – deshalb; kuru – tue; yata-ātmavan – im Selbst verankert.

ÜBERSETZUNG

Wenn du jedoch auch unfähig bist, in diesem Bewußtsein zu arbeiten, dann versuche zu handeln, indem du auf alle Ergebnisse deiner Arbeit verzichtest und dich bemühst, im Selbst verankert zu sein.

ERKLÄRUNG

Es mag sein, daß man aufgrund sozialer, familiärer oder religiöser Bedenken, oder irgendwelcher anderen Hindernisse, mit den Aktivitäten des Kṛṣṇa-Bewußtseins nicht einmal sympathisieren kann; denn würde man sich direkt an die Aktivitäten des Kṛṣṇa-Bewußtseins binden, könnten die Familienangehörigen Einwände erheben, oder es könnten viele andere Schwierigkeiten auftreten. Einem Menschen, der vor diesem Problem steht, wird geraten, das Ergebnis seiner Aktivitäten einer guten Sache zu opfern. Dieser Weg wird in den vedischen Unterweisungen beschrieben. Es gibt viele Beschreibungen von Opfern und besonderen Funktionen der pumundi (besondere Arbeit), bei der das Ergebnis früherer Arbeit verwendet werden kann. Auf diese Weise kann man allmählich auf die Stufe der Erkenntnis erhoben werden. Es geschieht auch oft, daß jemand, der an den Aktivitäten des Kṛṣṇa-Bewußtseins kein Interesse findet, einem Krankenhaus oder einer anderen sozialen Einrichtung Geld spendet und auf diese Weise auf die schwer verdienten Früchte Seiner Arbeit verzichtet. Dies wird hier ebenfalls empfohlen, denn wenn man auf die Früchte seiner Aktivitäten verzichtet, ist es sicher, daß man seinen Geist allmählich reinigt, und auf dieser Stufe des gereinigten Geistes wird man fähig sein, Kṛṣṇa-Bewußtsein zu verstehen. Kṛṣṇa-Bewußtsein ist von keinem anderen Vorgang abhängig, denn schon Kṛṣṇa-Bewußtsein allein genügt, um den Geist eines Menschen zu reinigen. Wenn man jedoch daran gehindert wird, Kṛṣṇa-Bewußtsein zu entwickeln, sollte man zumindest versuchen, auf die Früchte seiner Arbeit zu verzichten. Daher können also auch soziale Dienste oder Dienste an der Gemeinschaft, der Gesellschaft oder dem Staat geleistet und Opfer für das Land usw. gebracht werden; denn auf diese Weise wird man vielleicht eines Tages auf die Stufe des reinen hingebungsvollen Dienens für den Höchsten Herrn gelangen. In der Bhagavad-gītā wird erklärt: yataḥ pravṛttir bhūtānām: wenn man sich entschließt, für die höchste Ursache Opfer zu bringen, wird man, selbst wenn man nicht weiß, daß Kṛṣṇa die höchste Ursache ist, durch den Vorgang des Opfers allmählich zu der Erkenntnis gelangen, daß Kṛṣṇa der urerste Ursprung ist.

VERS 12

श्रेयो हि ज्ञानमभ्यासाज्ज्ञानाद्ध्यानं विशिष्यते ।
ध्यानात्कर्मफलत्यागस्त्यागाच्छान्तिरनन्तरम् ॥१२॥

śreyo hi jñānam abhyāsāj
jñānād dhyānaṁ viśiṣyate
dhyānāt karma-phala-tyāgas
tyāgāc chāntir anantaram

śreyaḥ – besser; hi – sicherlich; jñānam – Wissen; abhyāsāt – durch Praxis; jñānāt – besser als Wissen; dhyānam – Meditation; viśiṣyate – gelten als; dhyānāt – von Meditation; karma-phala-tyāgaḥ – Verzicht auf die Ergebnisse fruchtbringender Handlung; tyāgāt – durch solche Entsagung; śāntiḥ – Friede; anantaram – danach.

ÜBERSETZUNG

Und wenn du auch in dieser Weise nicht handeln kannst, dann versuche Wissen zu entwickeln. Besser jedoch als Wissen ist Meditation, und besser als Meditation ist der Verzicht auf die Früchte der Arbeit, denn durch solche Entsagung kann man inneren Frieden erlangen.

ERKLÄRUNG

Wie im vorherigen Vers erklärt wurde, gibt es zwei Arten des hingebungsvollen Dienens: den Weg der regulierenden Prinzipien und den Weg der völligen Anhaftung in Liebe zum Höchsten Persönlichen Gott. Für diejenigen, die außerstande sind, die Prinzipien des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu befolgen, ist es besser, Wissen zu entwickeln, da man mit Hilfe von Wissen imstande ist, seine wirkliche Position zu verstehen. Allmählich wird sich dann solches Wissen so weit entwickeln, daß man die Stufe der Meditation erreicht, und durch Meditation kann man in einem allmählichen Vorgang schließlich so weit kommen, daß man den Höchsten Persönlichen Gott versteht. Es gibt Vorgänge, die einem zu verstehen geben, daß man selbst der Höchste ist; diese Art der Meditation wird von Menschen bevorzugt, die unfähig sind, hingebungsvolles Dienen zu praktizieren. Denen, die nicht fähig sind, in solcher Weise zu meditieren, wird empfohlen, ihre vorgeschriebenen Pflichten zu erfüllen, die in den vedischen Schriften für die brāhmaṇas, kṣatriyas, vaiśyas und śūdras niedergelegt sind und die wir im Achtzehnten Kapitel der Bhagavad-gītā finden werden. In jedem Fall aber sollte man auf die Ergebnisse oder Früchte der Arbeit verzichten, was bedeutet, die Früchte des karma für einen guten Zweck zu verwenden.

Zusammengefaßt gesagt gibt es zwei Vorgänge, den Höchsten Persönlichen Gott, das höchste Ziel, zu erreichen: den allmählichen und den direkten. Hingebungsvolles Dienen im Kṛṣṇa-Bewußtsein ist die direkte Methode. Die andere Methode besteht darin, auf die Früchte der Aktivitäten zu verzichten, denn auf diese Weise kann man auf die Stufe des Wissens gelangen, von dort auf die Stufe der Meditation, danach auf die Stufe, auf der man die Überseele versteht, und schließlich erreicht man die Stufe, auf der man den Höchsten Persönlichen Gott erkennt. Man kann sich entweder für den allmählichen oder den direkten Vorgang entscheiden. Da der direkte Vorgang nicht für jeden praktizierbar ist, wird auch der indirekte Vorgang empfohlen. Man sollte jedoch verstehen, daß Arjuna der indirekte Vorgang deshalb nicht empfohlen wird, weil er sich bereits auf der Stufe des liebenden hingebungsvollen Dienens für den Höchsten Herrn befindet. Der indirekte Weg ist für diejenigen bestimmt, die sich noch nicht auf dieser Stufe befinden; sie sollten den allmählichen Vorgang des Wissens, der Meditation, der Entsagung und der Erkenntnis des Brahman und der Überseele praktizieren. In der Bhagavad-gītā wird jedoch die direkte Methode empfohlen. Jedem wird geraten, die direkte Methode anzunehmen und sich dem Höchsten Persönlichen Gott hinzugeben.

VERS 13–14

अद्वेष्टा सर्वभूतानां मैत्रः करुण एव च ।
निर्ममो निरहङ्कारः समदुःखसुखः क्षमी ॥१३॥

सन्तुष्टः सततं योगी यतात्मा दृढनिश्चयः ।
मय्यर्पितमनोबुद्धिर्यो मद्भक्तः स मे प्रियः ॥१४॥

adveṣṭā sarva-bhūtānāṁ
maitraḥ karuṇa eva ca
nirmamo nirahaṅkāraḥ
sama-duḥkha-sukhaḥ kṣamī

santuṣṭaḥ satataṁ yogī
yatātmā dṛḍha-niścayaḥ
mayy-arpita-mano-buddhir
yo mad-bhaktaḥ sa me priyaḥ

adveṣṭā – nicht neidisch; sarva-bhūtānām – zu allen Lebewesen; maitraḥ – freundlich; karuṇaḥ – gütig; eva – gewiß; ca – auch; nirmamaḥ – ohne Besitzgefühl; nirahaṅkāraḥ – ohne falsches Ich; sama – gleich; duḥkhaḥ – Leid; sukhaḥ – Glück; kṣamī – nachsichtig; santuṣṭaḥ – zufrieden; satatam – befriedigt; yogī – in Hingabe beschäftigt; yatā-ātmā – sich bemühend; dṛdḥaniścayaḥ – mit Entschlossenheit; mayi – für Mich; arpita – beschäftigt; manaḥ – Geist; buddhiḥ – intelligent; yaḥ – jemand, der; mat-bhaktaḥ – Mein Geweihter; saḥ me priyaḥ – er ist Mir lieb.

ÜBERSETZUNG

Wer nicht neidisch ist, sondern allen Lebewesen ein gütiger Freund, wer  keinen Besitzanspruch erhebt, frei vom falschen Ich und in Glück und Leid ausgeglichen ist, wer immer zufrieden und mit Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienen beschäftigt ist und wessen Geist und Intelligenz mit Mir in Einklang stehen, ist Mir sehr lieb.

ERKLÄRUNG

Der Herr wendet Sich nun wieder dem reinen hingebungsvollen Dienen zu und beschreibt in diesen beiden Versen die transzendentalen Eigenschaften eines reinen Gottgeweihten. Ein reiner Gottgeweihter ist unter keinen Umständen beunruhigt. Er beneidet niemanden, noch wird er der Feind seines Feindes; er denkt, nur aufgrund seiner eigenen vergangenen Missetaten sei ein anderer sein Feind, und daher sei es besser zu leiden als zu protestieren. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt:

tat te’nukampāṁ su-samīkṣyamaṇo

„Immer, wenn ein Gottgeweihter leidet oder sich in Schwierigkeiten befindet, denkt er, daß all dies die Barmherzigkeit des Herrn sei.“

Der Gottgeweihte denkt, daß er aufgrund seiner vergangenen Missetaten eigentlich viel mehr leiden müßte, und daß es also allein die Barmherzigkeit des Herrn sei, wenn er nicht die Strafe erhalte, die ihm strenggenommen zustehe. Durch die Barmherzigkeit des Höchsten Persönlichen Gottes erhält er nur einen kleinen Teil der Strafe. Deshalb ist ein Gottgeweihter, trotz vieler leidvoller Umstände, immer ruhig, still und geduldig. Auch ist er jedem stets freundlich gesinnt – selbst seinem Feind. Nirmama bedeutet, daß er der Freude und dem Leid, die sich auf den Körper beziehen, nicht viel Bedeutung beimißt, da er weiß, daß er mit dem materiellen Körper nicht identisch ist. Er identifiziert sich nicht mit dem Körper und ist daher von der Vorstellung des falschen Ichs frei und sowohl in Glück als auch Leid ausgeglichen. Er ist duldsam und mit dem zufrieden, was er durch die Gnade des Herrn erhält. Er bemüht sich nicht um etwas, was nur unter großen Schwierigkeiten zu erreichen ist und ist daher immer voller Freude. Er ist ein ganz und gar vollkommener Mystiker, denn er ist in den Anweisungen verankert, die ihm von seinem geistigen Meister gegeben wurden. Und weil seine Sinne kontrolliert sind, ist er auch entschlossen. Er wird durch Argumente nicht verunsichert, denn niemand kann ihn von seiner festen Entschlossenheit im hingebungsvollen Dienen abbringen. Er ist sich völlig darüber bewußt, daß Kṛṣṇa der ewige Herr ist – deshalb kann niemand ihn stören. All seine Fähigkeiten ermöglichen es ihm, in jeder Hinsicht vom Höchsten Herrn abhängig zu sein. Diese Stufe des hingebungsvollen Dienens wird zweifellos sehr selten erreicht, doch ein Gottgeweihter wird auf dieser Ebene verankert, wenn er den regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienens folgt. Weiter sagt der Herr, daß ihm solch ein Gottgeweihter sehr lieb sei; denn der Herr ist mit all seinen Aktivitäten im völligen Kṛṣṇa-Bewußtsein zufrieden.

VERS 15

यस्मान्नोद्विजते लोको लोकान्नोद्विजते च यः ।
हर्षामर्षभयोद्वेगैर्मुक्तो यः स च मे प्रियः ॥१५॥

yasmān nodvijate loko
lokān nodvijate ca yaḥ
harṣāmarṣa-bhayodvegair
mukto yaḥ sa ca me priyaḥ

yasmāt – von dem; na – niemals; udvijate – beunruhigt; lokaḥ – Menschen; lokāt – Menschen; na – niemals; advijate – gestört; ca – auch; yaḥ – jeder; harṣa – Glück; amarṣa – Leid; bhaya – Furchtsamkeit; udvegaiḥ – mit Angst; muktaḥ – befreit; yaḥ – wer; saḥ – jeder; ca – auch; me – Mein; priyaḥ – sehr lieb.

ÜBERSETZUNG

Wer niemanden in Schwierigkeiten bringt, nicht von Angst beunruhigt wird und beständig ist in Glück und Leid, ist Mir sehr lieb.

ERKLÄRUNG

Hier werden einige weitere Qualifikationen eines Gottgeweihten aufgeführt. Niemand wird von solch einem Gottgeweihten in Schwierigkeiten, Besorgnis, Angst oder Unzufriedenheit gestürzt. Weil ein Gottgeweihter zu jedem gütig ist, handelt er nicht in einer Weise, die andere beängstigt. Und zur gleichen Zeit ist der Gottgeweihte nicht gestört, wenn andere versuchen, ihn in Angst zu versetzen. Durch die Gnade des Herrn hat er soviel Erfahrung, daß er von keiner äußeren Störung beeinflußt wird. Weil ein Gottgeweihter immer im Kṛṣṇa-Bewußtsein gründet und im hingebungsvollen Dienen beschäftigt ist, können ihn solche Situationen nicht verwirren. Im allgemeinen ist ein materialistischer Mensch sehr glücklich, wenn er etwas für seine Sinnesbefriedigung und seinen Körper erhält, doch sobald er sieht, daß andere ihre Sinne mit einem Objekt befriedigen können, das er nicht besitzt, wird er verärgert und neidisch. Wenn er die Rache eines Feindes erwartet, befindet sich der Materialist in ständiger Angst, und wenn er ein Vorhaben nicht erfolgreich durchführen kann, verliert er den Mut. Ein Gottgeweihter hingegen ist immer transzendental zu solchen Störungen und daher Kṛṣṇa sehr lieb.

VERS 16

अनपेक्षः शुचिर्दक्ष उदासीनो गतव्यथः ।
सर्वारम्भपरित्यागी यो मद्भक्तः स मे प्रियः ॥१६॥

anapekṣaḥ śucir dakṣa
udāsīno gata-vyathaḥ
sarvārambha-parityāgī
yo mad-bhaktaḥ sa me priyaḥ

anapekṣaḥ – neutral; śuciḥ – rein; dakṣaḥ – erfahren; udāsīnaḥ – frei von Sorgen; gata-vyathaḥ – frei von allem Leid; sarva-ārambha – alle Bemühungen; parityāgī – Entsagender; yaḥ – jeder; mat-bhaktaḥ – Mein Geweihter; saḥ – er; me – Mir; priyaḥ – sehr lieb.

ÜBERSETZUNG

Ein Gottgeweihter, der nicht vom gewohnten Verlauf der Aktivitäten abhängig ist, der rein, erfahren, ohne Sorgen und frei von allem Leid ist, und nicht nach irgendwelchen Ergebnissen strebt, ist Mir sehr lieb.

ERKLÄRUNG

Ein Gottgeweihter kann zwar Geld annehmen, doch er sollte nicht darum kämpfen, und wenn ihm von allein – durch die Gnade des Herrn – Geld zukommt, sollte er nicht vor Freude außer sich sein. Es ist für einen Gottgeweihten ganz natürlich, mindestens zweimal täglich ein Bad zu nehmen und früh morgens aufzustehen, um sich im hingebungsvollen Dienst zu beschäftigen. So ist er, auf ganz natürliche Art und Weise, sowohl innerlich als auch äußerlich rein. Ein Gottgeweihter ist immer sachkundig, weil er ganz genau den Sinn aller Aktivitäten des Lebens kennt, und er ist von den maßgebenden Schriften überzeugt. Ein Gottgeweihter ergreift niemals Partei für eine bestimmte Seite und ist deshalb immer sorglos. Er leidet nie, denn er ist frei von allen Bezeichnungen. Er weiß, daß der Körper lediglich eine Bezeichnung ist – körperliche Schmerzen können ihn daher nicht beeinflussen. Ein reiner Gottgeweihter bemüht sich um nichts, was den Prinzipien des hingebungsvollen Dienens widerspricht. Es erfordert zum Beispiel viel Energie, ein großes Gebäude zu errichten, doch ein Gottgeweihter übernimmt eine solche Aufgabe nicht, wenn sie ihm nicht hilft, Fortschritt im hingebungsvollen Dienen zu machen. Er kann zwar einen Tempel für den Herrn bauen und dafür auch viele Sorgen auf sich nehmen, doch er baut kein großes Haus zu seinem persönlichen Nutzen.

VERS 17

यो न हृष्यति न द्वेष्टि न शोचति न काङ्क्षति ।
शुभाशुभपरित्यागी भक्तिमान्यः स मे प्रियः ॥१७॥

yo na hṛṣyati na dveṣṭi
na śocati na kāṅkṣati
śubhāśubha-parityāgī
bhaktimān yaḥ sa me priyaḥ

yaḥ – jemand, der; na – niemals; hṛṣyati – sich erfreut; na – niemals; dveṣṭi – bekümmert ist; na – niemals; śocati – klagt; na – niemals; kāṅkṣati – verlangt; śubha – glückverheißend; aśubha – ungünstig; parityāgī – Entsagender; bhakti­mān – Gottgeweihter; yaḥ – jemand, der; saḥ – er ist; me – Mir; priyaḥ – lieb.

ÜBERSETZUNG

Wer weder erfreut noch bekümmert ist, weder klagt noch begehrt und sowohl auf glückverheißende als auch ungünstige Dinge verzichtet, ist Mir sehr lieb.

ERKLÄRUNG

Ein reiner Gottgeweihter ist über materiellen Gewinn und Verlust weder beglückt noch bekümmert. Er ist nicht sehr bestrebt, einen Sohn oder Schüler zu bekommen, noch ist er betrübt, wenn er sie nicht bekommt. Wenn er etwas verliert, an dem er sehr hängt, beklagt er sich nicht. Und auch, wenn er nicht das erhält, wonach er verlangt, ist er nicht bekümmert. Er ist transzendental zu allen Arten glückverheißender, ungünstiger und sündiger Aktivitäten. Er ist bereit, jedes Risiko für die Zufriedenstellung des Höchsten Herrn auf sich zu nehmen. Nichts kann ihn an der Ausführung seines hingebungsvollen Dienens hindern. Solch ein Gottgeweihter ist Kṛṣṇa sehr lieb.

VERS 18–19

समः शत्रौ च मित्रे च तथा मानापमानयोः ।
शीतोष्णसुखदुःखेषु समः सङ्गविवर्जितः ॥१८॥

तुल्यनिन्दास्तुतिर्मौनी सन्तुष्टो येन केनचित् ।
अनिकेतः स्थिरमतिर्भक्तिमान्मे प्रियो नरः ॥१९॥

samaḥ śatrau ca mitre ca
tathā mānāpamānayoḥ
śītoṣṇa-sukha-duḥkheṣu
samaḥ saṅga-vivarjitaḥ

tulya-nindā-stutir maunī
santuṣṭo yena kenacit
aniketaḥ sthira-matir
bhaktimān me priyo naraḥ

samaḥ – gleich; śatrau – zu Feinden; ca – auch; mitre – zu Freunden; ca – auch; tatha – so; māna – Ehre; apamānayoḥ – Schmach; śīta – Kälte; uṣṇa – Hitze; sukha – Glück; duḥkheṣu – Leid; samaḥ – ausgeglichen; saṅga-vivarjitaḥ – frei von allem Umgang; tulya – gleich; nindā – Verleumdung; stutiḥ – in dem Ruf stehen; maunī – ruhig; santuṣṭaḥ – zufrieden; yena – irgendwie; kena – oder andere; cit – wenn; aniketaḥ – keine Unterkunft haben; sthira – gefestigt; matiḥ – Entschlossenheit; bhaktimān – in Hingabe beschäftigt sein; me – Mir; priyaḥ – lieb; naraḥ – ein Mensch.

ÜBERSETZUNG

Wer Freund und Feind gleichgesinnt ist, von Ehre und Schmach, Hitze und Kälte, Glück und Leid und Ruhm und Schande unberührt bleibt, wer ständig frei von Verunreinigung und immer schweigsam und mit allem zufrieden ist, wer sich nicht um eine Bleibe sorgt, im Wissen gefestigt ist und sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, ist Mir sehr lieb.

ERKLÄRUNG

Ein Gottgeweihter ist immer frei von allem schlechten Umgang. Manchmal wird man gelobt und ein anderes Mal verleumdet – das ist das Wesen der menschlichen Gesellschaft –, doch ein Gottgeweihter ist immer transzendental zu künstlichem Ruhm und künstlicher Schande, zu Glück und Leid. Er ist sehr geduldig. Er spricht über nichts anderes als über Inhalte, die mit Kṛṣṇa zusammenhängen; deshalb wird er schweigsam genannt. Schweigsam zu sein bedeutet nicht, daß man nicht sprechen sollte – Schweigsamkeit bedeutet, keinen Unsinn zu reden! Man sollte nur über Wesentliches reden, und das wesentlichste Gesprächsthema des Gottgeweihten ist der Höchste Herr. Der Gottgeweihte ist in allen Lebenslagen glücklich; manchmal werden ihm sehr wohlschmeckende Speisen gereicht, und ein anderes Mal nicht; doch er bleibt immer zufrieden. Er sorgt sich nicht einmal um eine Unterkunft. Es kann sein, daß er einmal unter einem Baum lebt, und ein anderes Mal in einem palastähnlichen Gebäude; er ist jedoch zu keinem von beiden angezogen. Er wird gefestigt genannt, weil er in seiner Entschlossenheit und seinem Wissen unerschütterlich ist. Wir mögen vielleicht einige Wiederholungen in der Beschreibung der Eigenschaften eines Gottgeweihten finden, doch dies geschieht nur, um die Tatsache zu veranschaulichen, daß ein reiner Gottgeweihter all diese Eigenschaften annehmen muß. Ohne gute Eigenschaften kann man kein reiner Gottgeweihter sein. Wer kein Gottgeweihter ist, besitzt auch keine guten Eigenschaften. Wenn jemand als Gottgeweihter gelten möchte, sollte er diese guten Eigenschaften entwickeln. Natürlich unternimmt ein Gottgeweihter keine außergewöhnlichen Anstrengungen, um diese Qualifikationen zu erlangen; vielmehr hilft ihm die Beschäftigung im Kṛṣṇa-Bewußtsein und im hingebungsvollen Dienen automatisch, diese Eigenschaften zu entwickeln.

VERS 20

ये तु धर्मामृतमिदं यथोक्तं पर्युपासते ।
श्रद्दधाना मत्परमा भक्तास्तेऽतीव मे प्रियाः ॥२०॥

ye tu dharmyāmṛtam idaṁ
yathoktaṁ paryupāsate
śraddadhānā mat-paramā
bhaktās te’tīva me priyāḥ

ye – jemand, der; tu – aber; dharmya – Großzügigkeit; amṛtam – verstehend; idam – dies; yathā – wie; uktam – gesagt; paryupāsate – sich völlig beschäftigt; śraddadhānāḥ – mit Vertrauen; mat-paramāḥ – den Herrn für alles ansehen; bhaktaḥ – Gottgeweihte; te – solche Menschen; atīva – sehr, sehr; me – Mir; priyāḥ – lieb.

ÜBERSETZUNG

Wer diesem unvergänglichen Pfad des hingebungsvollen Dienens folgt, sich mit festem Vertrauen fortwährend beschäftigt und Mich dabei zum höchsten Ziel macht, ist Mir sehr, sehr lieb.

ERKLÄRUNG

In diesem Kapitel wird die Religion der ewigen Beschäftigung erklärt bzw. der Vorgang des transzendentalen Dienens, durch den man sich dem Höchsten Herrn nähern kann. Dieser Vorgang ist dem Herrn sehr lieb, und Er akzeptiert einen Menschen, der diesen Pfad beschreitet. Die Frage Arjunas, wer besser sei – einer, der dem Pfad des unpersönlichen Brahman folge, oder jemand, der im persönlichen Dienst des Höchsten Persönlichen Gottes beschäftigt sei –, wurde somit vom Herrn ausführlich beantwortet. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß hingebungsvoller Dienst für den Höchsten Persönlichen Gott der beste aller Vorgänge spiritueller Verwirklichung ist. Mit anderen Worten, in diesem Kapitel wurde erklärt, daß man sich durch guten Umgang allmählich zum reinen, hingebungsvollen Dienen hingezogen fühlt, folglich einen echten geistigen Meister akzeptiert, von ihm zu hören beginnt, zu chanten anfängt, mit Vertrauen, Anhaftung und Hingabe den regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienens folgt und auf diese Weise im transzendentalen Dienst des Herrn beschäftigt wird. Dieser Pfad wird in diesem Kapitel empfohlen; deshalb besteht kein Zweifel darüber, daß hingebungsvolles Dienen der einzig absolute Pfad ist, um Selbstverwirklichung zu erlangen, das heißt, um den Höchsten Persönlichen Gott zu erreichen. Wie in diesem Kapitel erklärt wurde, wird es empfohlen, der unpersönlichen Auffassung der Höchsten Absoluten Wahrheit nur solange zu folgen, bis man sich hingibt, um Selbstverwirklichung zu erlangen. Mit anderen Worten, solange man nicht die Möglichkeit hat, mit einem reinen Gottgeweihten zusammenzusein, kann auch die unpersönliche Auffassung von Nutzen sein. In der unpersönlichen Auffassung der Absoluten Wahrheit handelt man nicht, um ein fruchtbringendes Ergebnis zu erlangen, sondern meditiert und entwickelt Wissen, um die spirituelle Natur und die Materie zu verstehen. Dies ist notwendig, solange man nicht mit einem reinen Gottgeweihten zusammen ist. Wenn man, vom Glück begünstigt, das direkte Verlangen entwickelt, sich im Kṛṣṇa-Bewußtsein im reinen hingebungsvollen Dienen zu beschäftigen, ist es nicht länger notwendig, stufenweise Fortschritte in der spirituellen Verwirklichung zu machen. Das hingebungsvolle Dienen, wie es in den mittleren sechs Kapiteln der Bhagavad-gītā beschrieben wird, ist geeigneter. Man braucht sich nicht um materielle Dinge zu kümmern, um Leib und Seele zusammenzuhalten, denn durch die Gnade des Herrn wird für alles Notwendige gesorgt.

So enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum Zwölften Kapitel der
Śrīmad-Bhagavad-gītā, genannt „Hingebungsvolles Dienen“.